Jeden Tag ein Antrag: P001 Gemeinnütziges Geldsystem und gerechte Tauschmittel
by el_kartono • 9. November 2012 • BPT2012.2 - Jeden Tag ein Antrag, Piraten • 0 Comments
Antragstext
Zusammenfassung:
Wir Piraten setzen uns für die Einführung eines gemeinnützigen Geldsystems ein, das die Ziele des “Rechts auf
sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe“ aus unserem Parteiprogramm überhaupt erst möglich macht.
Antragstext
[1] Der Bundesparteitag möge beschließen folgenden Text als Positionspapier zu beschließen:
[2] Wir Piraten setzen uns für die Einführung eines gemeinnützigen Geldsystems ein, das die Ziele des “Rechts auf
sichere Existenz und gesellschaftlicher Teilhabe“ aus unserem Parteiprogramm überhaupt erst möglich macht.
[3] Es soll:
[4] Den Menschen dienen und einen gerechten Austausch von Waren und Dienstleistungen unter den Marktteilneh-
mern einer freien Wirtschaft ermöglichen ohne einen leistungslosen Umverteilungsmechanismus zu beinhalten.
[5] Wir wissen, dass ein neues Geldsystem die Paradigmen des Kapitalismus wesentlich verändern wird. Statt mit
klassischer Parteipolitik muss dessen Einführung daher mit einer breiten Beteiligung der Bürger einhergehen.
[6] Wir nehmen viele engagierte Menschen wahr, die sich seit Jahren in- und außerhalb von Parteien für ein ge-
meinnütziges Geldsystem einsetzen. Wir wollen dieses Engagement auf die politische Bühne des Bundestages
bringen und mit den dortigen Möglichkeiten eine breite und vor allem fundierte Diskussion in der Gesellschaft
unterstützen.
[7] Dazu wollen wir eine Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag gründen, deren Ziel die konkrete Aus-
arbeitung und Berechnung neuer sowie die Bewertung bestehender Geldsystem-Modelle sein soll. Für jedes
Konzept sollen die voraussichtlichen Konsequenzen sowie Vor- und Nachteile aufgezeigt und der Öffentlich-
keit transparent gemacht werden.
[8] Zeitgleich werden wir uns im Bundestag dafür einsetzen, dass noch vor Ende der Legislaturperiode die ge-
setzlichen Grundlagen für Regional- und Komplementärwährungen verbessert werden. Sie sollen den Bürgern
ermöglichen, sowohl die in der Enquete-Kommission vorgestellten als auch andere Geldsystem-Entwürfe als
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Modell direkt kennen zu lernen. Um dabei über eine Vielfalt an Konzepten gleichzeitig entscheiden zu können,
sollen Volksabstimmungen auch mit Präferenzwahlverfahren durchgeführt werden können.
[9] Bis zur Einführung eines gemeinnützigen Geldsystems setzen sich die PIRATEN bundesweit für alle gerechten
Komplementär-, Parallelwährungs- und Tauschmittel-Systeme ein.
Begründung
[10] https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=110974
[11] https://news.piratenpartei.de/showthread.php?tid=134991
Meine Meinung dazu:
Was nicht gut ist:
Dieser Antrag ist im Kern gut, jedoch würde ich ihn trotzdem NICHT unterstützen, warum:
- Ein Geldsystem oder ein Geld ist für sich gesehen nie gemeinnützig. Dies kann nur eine Organisation oder sonstige Körperschaft sein. Das Geldsystem kann sich allerhöchstens neutral zu sämtlichen Partizipanten verhalten.
- Der Begriff „gemeinnütziges Geldsystem“ ist mir in dieser Form noch nie untergekommen. Ich habe auch danach gegoogelt, um zu erfahren, was es damit auf sich hat. Ich habe dazu lediglich die Diskussion über eben diesen Antrag entdecken können. Er ist zudem irreführend. „Ausgerichtet auf das Gemeinwohl“ wäre wohl treffender.
- Dieser Antrag atmet die Angst. Ich kann mir vorstellen, die Autoren haben sehr viel Furcht vor Inflation und Geldwert-Instabilität. Das ist natürlich verständlich. Aber: Ich sehe im Antrag keine konkreten Lösungsvorschläge, nur den Verweis auf eine Kommission, die im Bundestag beraten soll. Aber über was? Diese Diskussion wird bereits in Wirtschaftswissenschaftskreisen geführt und selbst dort ist man sich nicht einig, wie man das Geldsystem nachhaltig verändern könnte (ich sagen: verändern, nicht ersetzen oder ähnlichen Nonsens. Dieses System ist viel zu gross und die Auswirkungen zu brisant, um daran umfassende Experimente durchzuführen).
- Die genannten Ziele sind zu lari-fari formuliert. Zitat : „Den Menschen dienen und einen gerechten Austausch von Waren und Dienstleistungen unter den Marktteilneh-
mern einer freien Wirtschaft ermöglichen ohne einen leistungslosen Umverteilungsmechanismus zu beinhalten.“ das könnte man u.U. auch mit dem jetzigen Geldsystem erreichen, denn der Grad der Gerechtigkeit (wie auch immer das in diesem Kontext gemeint sein mag, es gäbe hier mehrere Auslegungen) von Warenaustausch hat erstmal eher etwas mit Zollabkommen, bilateralen Verträgen usw. zu tun, eher weniger mit dem Geldsystem. - Ich stehe dem Konzept des Regionalgeldes skeptisch gegenüber. Ein Hauptargument: Mit Regiogeld wird lediglich auf einer anderen Ebene die Geldmenge erhöht. Jedoch unkontrollierbarer als das die europ. Zentralbank jemals machen könnte. Das kann keine Lösung sein. Hier verdienen nur einige, die das Regiogeld herausgeben und tauschen!
Was gut ist:
Die Grundaussage, das nämlich im jetzigen Geldsystem der Wurm drin ist, ist nicht verkehrt. Vor allem das Buchgeldprinzip müsste neu überdacht werden. Man kann darüber nachdenken, aber wie gesagt: es hat sich bis jetzt (jedenfalls wäre mir da nichts bekannt) niemand positioniert, der ein perfektes Geldsystem parat hätte. Insofern sollte man (angstfrei) den wissenschaftlichen Diskurs erstmal weitergehen lassen und Massnahmen zur Stützung und Entzerrung (wie z.B. die immer noch ausstehende umfassende Bankenregulierung, oder etwa die Trockenlegung von Schattenbanken) zu promoten.
Fazit:
Es gäbe Massnahmen (z.B. Bankenregulierung, Trennung von Investmentbanking vom traditionellen Geschäft, Zurückführung von Subventionen auf Staatsseite etc.) die wahrscheinlich mehr bringen als das Geldsystem zu verändern. Diese würden aber umgekehrt wahrscheinlich auch das jetzige Geldsystem stabilisieren. Vor allem sehe ich hier auch keinerlei Richtung, wie diese Veränderung des Geldsystems von statten gehen sollte. Insofern: abzulehnen.